Einen weiteren Fall in der Kategorie “skurile Testamente” hatte das Oberlandesgerichts (OLG) München (Beschluss vom 23. Juli 2024 – 33 Wx 329/23 e) zu entscheiden. Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Frage, ob ein handschriftliches Testament formwirksam ist, wenn der Bedachte durch einen maschinenschriftlichen Adressaufkleber und ein Symbol (hier: ein Pfeil) benannt wird. Das OLG entschied, dass diese Form der Testamentserrichtung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht und wies die Beschwerde des Beschwerdeführers zurück.
Sachverhalt
Die Erblasserin, die kinderlos und unverheiratet verstarb, hinterließ ein Schriftstück, das angeblich ihren letzten Willen darstellen sollte. Der Beschwerdeführer, der sich als Alleinerbe auf dieses Dokument berief, stellte einen Erbscheinsantrag. Bei dem Schriftstück handelte es sich um die Vorderseite eines Briefumschlags. Darauf waren diverse handschriftliche Notizen der Erblasserin zu finden, darunter die Worte „Rest Dir“ und ein Pfeil, der auf einen Adressaufkleber mit dem Namen und der Adresse des Beschwerdeführers zeigte. Oberhalb des Aufklebers befand sich die vermeintliche Unterschrift der Erblasserin. Der Beschwerdeführer argumentierte, dass das Schriftstück den letzten Willen der Erblasserin darstelle und er als Alleinerbe eingesetzt worden sei.
Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag zurück. Es argumentierte, dass das Schriftstück die formalen Anforderungen eines eigenhändigen Testaments gemäß § 2247 Abs. 1 BGB nicht erfülle. Der Beschwerdeführer legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein, die vom OLG München geprüft wurde.
Entscheidungsgründe
Das OLG München bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichts und wies die Beschwerde zurück. Das Schriftstück stelle keine formwirksame Verfügung von Todes wegen dar, da es die grundlegenden Anforderungen an ein eigenhändiges Testament nicht erfülle.
1. Anforderungen an ein eigenhändiges Testament
Nach § 2247 Abs. 1 BGB muss ein eigenhändiges Testament vom Erblasser persönlich geschrieben und unterschrieben werden. Dies soll sicherstellen, dass der wahre Wille des Erblassers zur Geltung kommt und spätere Manipulationen verhindert werden. Der OLG-Beschluss betont, dass diese Vorschrift eng auszulegen ist, um die Sicherheit der letztwilligen Verfügung zu gewährleisten. Ein Testament muss vollständig handschriftlich abgefasst sein, damit eine Überprüfung der Echtheit durch Schriftsachverständige möglich ist.
2. Verwendung eines Symbols und eines Adressaufklebers
Das OLG stellte fest, dass das vorliegende Schriftstück diese Anforderungen nicht erfüllte, da es nicht vollständig handschriftlich war. Der Pfeil, der auf den Adressaufkleber des Beschwerdeführers zeigte, wurde als Symbol bewertet und nicht als Schrift. Symbole sind jedoch nicht überprüfbar, weshalb sie nicht als Teil eines formwirksamen Testaments anerkannt werden können. Auch der Adressaufkleber, der den Namen und die Adresse des Beschwerdeführers enthielt, entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen. Da der Adressaufkleber maschinenschriftlich war, konnte er nicht als eigenhändiger Bestandteil des Testaments gelten.
Das OLG betonte, dass die Formvorschriften für Testamente nicht flexibel gehandhabt werden können. Selbst wenn der Pfeil und der Adressaufkleber von der Erblasserin selbst angebracht worden wären, reiche dies nicht aus, um die Formvorschriften zu erfüllen. Die Formvorschrift des § 2247 BGB soll die Echtheit des gesamten Testaments sicherstellen, was in diesem Fall nicht möglich war, da der maschinengeschriebene Teil nicht auf seine Echtheit geprüft werden konnte.
3. Fehlende Unterschrift der Erblasserin
Ein weiteres formales Problem des Schriftstücks war die Unterschrift. Eine Unterschrift muss ein Testament räumlich abschließen, um spätere Ergänzungen oder Änderungen zu verhindern. Im vorliegenden Fall befand sich die vermeintliche Unterschrift der Erblasserin oberhalb des Adressaufklebers und somit nicht am Ende des Schriftstücks. Dies widerspricht der Funktion der Unterschrift, die als abschließende Bestätigung des letzten Willens des Erblassers dienen soll.
Das OLG stellte klar, dass eine Unterschrift, die das Testament nicht räumlich abschließt, unwirksam ist. Selbst wenn man davon ausgegangen wäre, dass es sich bei dem Schriftzug oberhalb des Aufklebers um die Unterschrift der Erblasserin handelt, hätte diese das Schriftstück nicht wirksam abgeschlossen. Die Unterschrift hätte am Ende des Textes stehen müssen, um die Ernsthaftigkeit und den abschließenden Charakter der Verfügung zu garantieren.
4. Keine formwirksame Verfügung von Todes wegen
Aufgrund der oben genannten Mängel kam das OLG München zu dem Schluss, dass das vorliegende Schriftstück keine formwirksame Verfügung von Todes wegen darstellt. Das Testament war weder vollständig handschriftlich verfasst noch durch eine wirksame Unterschrift abgeschlossen. Damit war das Testament formunwirksam und konnte nicht als Grundlage für die Erteilung eines Erbscheins dienen.
5. Keine Entscheidung über den Testierwillen
Das OLG musste nicht weiter auf die Frage eingehen, ob die Wahl eines Briefumschlags als Trägermaterial auf einen mangelnden Testierwillen hinweist. Die Entscheidung stützte sich allein auf die Formunwirksamkeit des Schriftstücks.
Fazit von Fachanwalt für Erbrecht Mathias Nittel
Der Beschluss des OLG München zeigt erneut die strengen Anforderungen an die Formwirksamkeit eigenhändiger Testamente. Ein Testament muss vollständig handschriftlich verfasst und unterschrieben sein, um rechtswirksam zu sein. Symbole oder maschinengeschriebene Elemente können nicht als Teil einer wirksamen letztwilligen Verfügung anerkannt werden, da sie nicht auf ihre Echtheit überprüft werden können. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass die gesetzlichen Formvorschriften für Testamente nicht umgangen oder flexibel ausgelegt werden können, da sie der Sicherstellung des wahren Willens des Erblassers dienen.
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