Auch Testamentskopie kann letzten Willen darstellen

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Beschluss vom 9. Februar 2024 – I-10 W 60/23) musste sich mit einem ungewöhnlichen Fall auseinandersetzen: Ein Testament, das nur noch in Kopie existierte, sollte dennoch die Erbfolge regeln. Die Frage war, ob diese Kopie ausreicht, um die Erbschaft zu bestimmen.

Hintergrund: Der Erblasser und sein letzter Wille

Im Dezember 2021 verstarb ein Mann, der nur eine Tochter hinterließ. Allerdings hatte der Erblasser seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihr. Stattdessen pflegte ein guter Bekannter des Verstorbenen über lange Zeit den Kontakt zu ihm und kümmerte sich um ihn. Am 15. September 2016 verfasste der Erblasser ein handschriftliches Testament. Darin bestimmte er, dass seine Tochter nichts von seinem Vermögen erhalten sollte. Alleiniger Erbe sollte der besagte Bekannte werden.

Das Problem: Nur noch eine Kopie des Testaments vorhanden

Nach dem Tod des Erblassers lag das Testament jedoch nur noch in Kopie vor. Sowohl der Bekannte als auch die Tochter des Verstorbenen beanspruchten die Erbschaft für sich. Beide stellten einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, jeweils als Alleinerbe. Die Tochter erklärte zusätzlich die Anfechtung des Testaments, da sie die Kopie für unwirksam hielt.

Entscheidung des Nachlassgerichts: Bekannter als Erbe bestätigt

Das Nachlassgericht entschied zugunsten des Bekannten des Erblassers. Der Antrag der Tochter auf Erteilung eines Erbscheins wurde als unbegründet abgewiesen. Die Tochter legte daraufhin Beschwerde beim OLG Hamm ein. Sie argumentierte, dass das Testament im Original vorliegen müsse, um wirksam zu sein.

Das Urteil des OLG Hamm: Kopie genügt unter bestimmten Umständen

Das OLG Hamm wies die Beschwerde der Tochter ab und bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichts. Zwar muss ein Testament grundsätzlich im Original vorgelegt werden. Es gibt jedoch Ausnahmen: Ein Testament bleibt gültig, wenn es „ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht mehr auffindbar ist“. Im vorliegenden Fall war die Existenz des Testaments durch die Kopie und die Aussagen von Zeugen bewiesen worden.

Zeugen bestätigen den letzten Willen des Erblassers

Im Prozess bestätigten mehrere Zeugen glaubhaft, dass das in Kopie vorliegende Testament tatsächlich vom Erblasser verfasst wurde und seinem letzten Willen entsprach. Das Gericht konnte nicht feststellen, dass der Erblasser das Testament widerrufen oder bewusst vernichtet hatte. Die Tochter hätte beweisen müssen, dass ihr Vater sein Testament willentlich widerrufen oder vernichtet hatte. Dieser Nachweis konnte jedoch nicht erbracht werden.

Fazit von Fachanwalt für Erbrecht Mathias Nittel

Dass das Original des Testaments nicht mehr auffindbar war, bedeutete nicht automatisch, dass die Testamentskopie unwirksam war. Auch die Anfechtung des Testaments durch die Tochter hatte keinen Erfolg. Damit blieb es bei der Erbfolge, die aus der Kopie des Testaments hervorging: Der Bekannte des Erblassers wurde dessen alleiniger Erbe.

Dieses Urteil zeigt, dass ein Testament auch in Kopie gültig sein kann, sofern nachgewiesen wird, dass es dem letzten Willen des Verstorbenen entspricht. Erben sollten sich daher immer bewusst sein, dass das Fehlen des Originals nicht zwangsläufig bedeutet, dass ein Testament unwirksam ist. Zeugen und andere Beweismittel können eine entscheidende Rolle dabei spielen, den letzten Willen des Verstorbenen zu bestätigen und durchzusetzen.

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