Das Berliner Testament stellt eine spezielle Form der gemeinschaftlichen Abfassung des letzten Willens im deutschen Erbrecht dar. Das Testament wird hierbei von Ehelegatten oder eingetragenen Lebenspartnern gemeinsam verfasst. Ziel ist es, den länger lebenden Partner finanziell abzusichern und Streit ums Erbe unter den Erben zu verhindern. Die Ehegatten setzen sich darin gegenseitig als Alleinerben ein. Zugleich bestimmen sie, dass nach dem Ableben des zweiten Partners der verbleibende Nachlass an die gemeinsamen Kinder oder andere Erben als sogenannte Schlusserben geht (§ 2269 BGB).
„Wir setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein. Nach dem Tode von uns beiden sollen unsere Kinder zu gleichen Teilen erben.“
In einem Berliner Testament wird festgelegt, dass der überlebende Partner im Erbfall zunächst den gesamten Nachlass erbt (Vollerbschaft). Die Kinder oder andere Erben erben erst nach dem Versterben beider Elternteile und erlangen damit erst dann Zugriff auf das Vermögen der Eltern (Schlusserben). Dies soll sicherstellen, dass der überlebende Partner finanziell abgesichert ist und der Nachlass nicht während seiner Lebenszeit aufgeteilt werden muss.
Das Berliner Testament stellt im Erbrecht aber nur eine Grundform dar, die an die individuelle familiäre und finanzielle Situation der Ehegatten angepasst werden kann und sollte. Gemeinsam mit einer steueroptimierten vorausschauenden Planung von Vermögensübertragungen kann so eine dem Einzelfall angepasste Lösung für den Erbfall gefunden werden.
Wesentliches zum Berliner Testament:
- Ehepaare können sich durch ein Berliner Testament oder Ehegattentestament gegenseitig absichern.
- Gemeinschaftliche Testamente können sowohl eigenhändig als auch in notarieller Form verfasst werden.
- Der Ehepartner kann im Berliner Testament als Alleinerbe, Vorerbe oder Vermächtnisnehmer bestimmt werden.
- Welche Einsetzung im jeweiligen Fall am besten geeignet ist, hängt von der individuellen Situation des Ehepaares ab.
Ein Fachanwalt für Erbrecht ist der richtige Ansprechpartner, wenn Sie ein Berliner Testament erstellen möchten.
Was unterscheidet ein gemeinschaftliches Testament von einem Einzeltestament
Ein gemeinschaftliches Testament unterscheidet sich wesentlich von einem Einzeltestament, insbesondere in seiner rechtlichen Struktur und in seiner Bindungswirkung.
Einzeltestament
Ein Einzeltestament wird von einer Person allein verfasst. Es regelt ausschließlich die Erbfolge dieser Person. Es ist jederzeit und ohne Zustimmung einer anderen Person widerrufbar oder änderbar. Die Verfügungen im Einzeltestament betreffen nur den Nachlass des Erblassers und können individuell angepasst werden, wenn sich Lebensumstände ändern.
Gemeinschaftliches Testament
Ein gemeinschaftliches Testament wird von Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnern gemeinsam verfasst (§ 2270 BGB). Es regelt die Erbfolge der Eheleute und enthält oft wechselbezügliche Verfügungen, die in ihrem rechtlichen Bestand voneinander abhängen. Dies hat Auswirkungen auf die Abänderbarkeit des gemeinschaftlichen Testaments.
Wann ist ein Berliner Testament sinnvoll?
Ein Berliner Testament ist vor allem dann sinnvoll, wenn
- Ehepartner sich gegenseitig bestmöglich absichern wollen und
- sicherstellen möchten, dass im Erbfall niemand aus dem vorhandenen Vermögen ausbezahlt werden,
- keine Erbauseinandersetzung erfolgen muss und
- der überlebende Ehegatte in der gemeinsamen Immobilie wohnen bleiben kann.
Der Nachlass und das gemeinsame Vermögen der Ehegatten bleiben so in der Familie und fließt erst nach dem Tod beider Eltern an die Kinder.
Hier sind einige Situationen, in denen ein Berliner Testament besonders vorteilhaft sein kann:
- Finanzielle Absicherung des länger lebenden Ehegatten: Wenn der verbleibende Partner nicht selbst über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, kann ein Berliner Testament verhindern, dass er durch Pflichtteilsansprüche der Kinder in finanzielle Schwierigkeiten gerät.
- Erhalt des Familienvermögens: Das Berliner Testament kann dazu beitragen, dass das Vermögen der Familie nicht durch die Teilung unter den Erben aufgesplittet wird, sondern zu Lebzeiten der Etern als Ganzes erhalten bleibt.
- Vermeidung von Streitigkeiten: Durch klare Regelungen kann das Berliner Testament potenzielle Erbstreitigkeiten unter den Nachkommen vermeiden.
- Schutz von minderjährigen oder behinderten Kindern: Ein Berliner Testament kann sicherstellen, dass der überlebende Ehegatte die Verantwortung und Verwaltung des Vermögens übernimmt, bis die Kinder volljährig oder in der Lage sind, den Nachlass selbst zu verwalten.
Praxistipp von Fachanwalt für Erbrecht Mathias Nittel
Das Berliner Testament stellt nur eine Grundform für Ehegatten dar, um den Nachlass gemeinsam zu gestalten. In der Praxis schafft ein lediglich auf diese elementaren Regelungen beschränktes Berliner Testament viele Probleme, die zwischen dem hinterbliebenen Ehergatte und den Kindern zu lösen sind und die das Ziel des gemeinsamen Testaments gefährden. Auch hier gilt: “Gut gewollt ist zumeist schlecht gemacht!“
Ich empfehle daher, bei der Testamentsgestaltung einen Fachanwalt für Erbrecht mit einzubinden, um eine an die individuellen Bedürfnisse und an die individuellen Ziele der Ehegatten angepasste Nachlassregelung zu erstellen. Nur so kann der hinterbliebene Partner geschützt und der Familienfrieden bewahrt werden.
Nachteile beim Berliner Testament
Obwohl das Berliner Testament viele Vorteile bietet, gibt es auch einige Nachteile und Risiken, die berücksichtigt werden sollten:
- Bindungswirkung: Ein gemeinschaftliches Testament bindet die Ehegatten an die darin festgelegten Erbfolgeregelungen. Änderungen können nach dem Versterben eines Ehegatten nur schwer oder gar nicht mehr vorgenommen werden.
- Pflichtteilsansprüche: Kinder haben trotz Berliner Testament einen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch, der sofort nach dem Tod des ersten Elternteils geltend gemacht werden kann. Die finanzielle Absicherung des länger lebenden Ehegatten ist nur dann vollständig, wenn die Kinder auf ihren Pflichtteil nach dem ersten Elternteil verzichten. Dieser Verzichtsvertrag bedarf der notariellen Beurkundung.
- Steuerliche Nachteile: Je nach Vermögenssituation und familiären Konstellationen können steuerliche Nachteile auftreten. Der steuerliche Freibetrag kann durch die Anordnung der Alleinerbschaft unter Umständen nicht optimal ausgenutzt werden.
- Fehlende Flexibilität: Lebensumstände können sich ändern, und ein einmal errichtetes Berliner Testament bietet wenig Flexibilität, um auf veränderte Bedingungen zu reagieren.
Die Bindungswirkung beim Berliner Testament
Die im deutschen Erbrecht vorgesehene Bindungswirkung gemeinschaftlicher Verfügungen tritt in Kraft, sobald einer der Ehegatten verstirbt. Ab diesem Zeitpunkt können die Regelungen im Testament nicht mehr einseitig geändert werden. Als überlebender Ehegatte sind Sie an die gemeinschaftlich gefassten Bestimmungen gebunden und können sie nur noch unter bestimmten Umständen oder gar nicht mehr ändern. Diese Verbindlichkeit betrifft vor allem folgende Punkte:
- Erbeinsetzung des länger lebenden Partners: Der überlebende Ehegatte bleibt der Alleinerbe, wie im Testament festgelegt, und kann diese Erbeinsetzung nach dem Tod des ersten Partners nicht mehr ändern.
- Schlusserbfolge: Die Schlusserben, also die Erben nach dem Tod des zweiten Ehegatten, können nicht mehr geändert werden. Die im Berliner Testament festgelegten Schlusserben sind somit endgültig bestimmt.
- Vermächtnisse und Auflagen: Alle im Testament enthaltenen Vermächtnisse und Auflagen bleiben unverändert bestehen und müssen vom länger lebenden Ehegatten berücksichtigt werden.
Vorteile der Bindungswirkung beim Berliner Testament
- Rechtssicherheit: Die Bindungswirkung sorgt für klare und verbindliche Regelungen, die nach dem Tod des ersten Ehegatten nicht mehr in Frage gestellt werden können. Das schafft Sicherheit für alle Beteiligten, auch für die als Schlusserben eingesetzten Kinder.
- Schutz des gemeinsamen Willens: Die Bindungswirkung stellt sicher, dass der im Testament festgelegte gemeinsame Wille der Ehegatten respektiert und umgesetzt wird, auch wenn sich der überlebende Ehegatte später anders entscheiden möchte.
- Erhaltung des Familienvermögens: Durch die Bindungswirkung kann verhindert werden, dass der verbleibende Ehegatte das Erbe anderweitig verteilt. Das Familienvermögen bleibt für die Schlusserben geschützt.
Nachteile und Risiken der Bindungswirkung beim Berliner Testament
- Eingeschränkte Flexibilität: Ein wesentlicher Nachteil der Bindungswirkung ist die eingeschränkte Flexibilität. Nach dem Tod eines Ehegatten kann der überlebende Partner keine Änderungen mehr vornehmen, selbst wenn sich die familiären oder finanziellen Verhältnisse ändern.
- Veränderte Lebensumstände: Wenn sich die Lebensumstände des länger lebenden Ehegatten nach dem Tod des ersten Partners erheblich ändern, beispielsweise durch eine neue Ehe oder eine andere Lebenssituation, kann die starre Bindungswirkung problematisch sein.
- Steuerliche Nachteile: Die bindenden Regelungen können unter Umständen zu steuerlichen Nachteilen führen, wenn sich herausstellt, dass eine andere Vermögensverteilung steuerlich günstiger gewesen wäre.
Möglichkeiten zur Aufhebung oder Milderung der Bindungswirkung beim Berliner Testament
Es gibt im Erbrecht einige Möglichkeiten, die strikte Bindungswirkung des Berliner Testaments abzumildern oder unter bestimmten Umständen aufzuheben:
- Änderungsvorbehalt im Testament: Als Eheleute können Sie bei der Abfassung des Berliner Testament ausdrücklich festlegen, dass der hinterbliebene Partner unter bestimmten Bedingungen oder generell zur Änderung des gemeinsamen letzten Willens berechtigt sein soll. Solche Klauseln sollten immer klar und unmissverständlich formuliert sein.
- Widerruf vor dem Tod eines Partners: Das Berliner Testament können Sie, so lange Ihr Partner noch lebt, jederzeit gemeinschaftlich widerrufen oder ändern. Dies erfordert jedoch die Zustimmung beider Partner.
- Anfechtung aufgrund geänderter Umstände: In seltenen Fällen, beispielsweise bei einer Wiederverheiratung des überlebenden Ehepartners, können Sie die Bindungswirkung aufgrund gravierender Veränderungen der Lebensumstände anfechten.
- Einseitiger Widerruf durch notarielle Beurkundung: In Ausnahmefällen können Sie als Ehepartner das Testament einseitig widerrufen, indem sie den Widerruf notariell beurkunden lassen und dem anderen Ehegatten zustellen. Dies ist jedoch nur möglich, solange beide Partner leben.
Die Bindungswirkung sorgt einerseits für Rechtssicherheit und den Schutz des gemeinsamen Willens der Ehegatten, schränkt jedoch die Flexibilität des verbleibenden Partners erheblich ein. Eheleute sollten die Bindungswirkung sorgfältig abwägen und gegebenenfalls rechtlichen Rat einholen, um sicherzustellen, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse bei der Gestaltung Ihres Nachlasses bestmöglich berücksichtigt werden. Es kann auch sinnvoll sein, im Testament Regelungen zu treffen, die die Bindungswirkung unter bestimmten Bedingungen aufheben oder abmildern, um auf veränderte Lebensumstände reagieren zu können.
Widerruf des Berliner Testaments
In verschiedenen Konstellationen ist es im Erbrecht möglich, sich der Bindungswirkung eines Berliner Testaments durch Widerruf zu entziehen.
Widerruf des Berliner Testaments vor dem Tod eines Ehepartners
Das Berliner Testament kann zu Lebzeiten beider Ehepartner jederzeit gemeinschaftlich widerrufen oder geändert werden. Hierzu müssen beide Partner zustimmen und den Widerruf oder die Änderung gemeinsam vornehmen. Dies kann entweder durch die Errichtung einer neuen gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung oder durch die Vernichtung der bestehenden Urkunde geschehen.
Einseitiger Widerruf des Berliner Testaments zu Lebzeiten
Ein einseitiger Widerruf des Berliner Testaments ist zu Lebzeiten beider Ehegatten unter bestimmten Voraussetzungen möglich:
- Notarielle Beurkundung: Ein Partner kann das Berliner Testament einseitig widerrufen, indem er den Widerruf notariell beurkunden lässt.
- Zustellung des Widerrufs: Der notarielle Widerruf muss dem anderen Partner zugestellt werden. Erst mit der Zustellung wird der Widerruf wirksam.
Widerruf des Berliner Testaments nach dem Tod eines Ehepartners
Nach dem Versterben eines Ehepartners ist ein einseitiger Widerruf des Berliner Testaments grundsätzlich nicht mehr möglich, da die Bindungswirkung in Kraft tritt.
Können Kinder trotz Berliner Testament den Pflichtteil einfordern?
Kinder können trotz eines Berliner Testaments ihren Pflichtteil einfordern. Der Pflichtteil ist ein im Erbrecht verankerter gesetzlicher Mindestanspruch auf das Erbe, der auch durch ein Testament nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Wenn ein Ehepartner verstirbt, können die Kinder ihren Pflichtteil vom Erbe des verstorbenen Elternteils verlangen, auch wenn das Berliner Testament den überlebenden Ehegatten als Alleinerben einsetzt.
Möchte man dieses Szenario ausschließen, bietet es sich an, mit den Kindern einen Pflichtteilsverzicht nach dem erstversterbenden Elternteil notariell zu vereinbaren.
Wie hoch ist der Pflichtteil für ein Kind beim Berliner Testament?
Der Pflichtteil für ein Kind beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Das bedeutet, dass die Kinder, die im Berliner Testament zunächst von der Erbfolge ausgeschlossen sind, Anspruch auf die Hälfte dessen haben, was ihnen nach der gesetzlichen Erbfolge zustehen würde.
Beispiel: Wenn nach gesetzlicher Erbfolge ein Kind Anspruch auf ein Viertel des gesamten Nachlasses hätte, beträgt der Pflichtteil die Hälfte davon, also ein Achtel des Nachlasses. Dies kann für den überlebenden Ehepartner eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen, wenn die Kinder ihren Pflichtteil sofort geltend machen.
Warum sollte auch in einer funktionierenden Ehe die Erbfolge durch Testament geregelt werden?
Auch in einer funktionierenden Ehe ist es sinnvoll, die Erbfolge durch ein Testament zu regeln, und zwar aus folgenden Gründen:
- Rechtsklarheit und Vermeidung von Streitigkeiten: Ein Testament schafft klare Verhältnisse und kann Erbstreitigkeiten vermeiden.
- Individuelle Regelungen: Ohne Testament greift die gesetzliche Erbfolge, die nicht immer den individuellen Wünschen und Bedürfnissen der Familie entspricht. Ein Testament ermöglicht maßgeschneiderte Lösungen.
- Absicherung des Partners: Ein Testament kann sicherstellen, dass der hinterbliebene Ehegatte oder Lebenspartner nicht durch Pflichtteilsansprüche der Kinder finanziell überfordert wird.
- Erbschaftssteuerliche Vorteile: Durch geschickte testamentarische Regelungen können steuerliche Vorteile genutzt und Freibeträge optimal ausgenutzt werden. SO bleibt das erarbeitete und ererbte Vermögen in der Familie erhalten.
Form eines Berliner Testaments
Ein Berliner Testament unterliegt strengen, im Erbrecht formulierten Formvorschriften. Es muss handschriftlich verfasst und von beiden Ehepartnern eigenhändig unterschrieben werden. Es sollte klar und verständlich formuliert sein und folgende wesentliche Inhalte umfassen:
- Einleitende Bestimmungen: Erklärung, dass es sich um ein gemeinschaftliches Testament handelt.
- Erbeinsetzung: Regelung der Erbfolge, zunächst des überlebenden Ehepartners als Alleinerbe und der Kinder als Schlusserben.
- Ersatzerben: Bestimmung, wer Erbe wird, wenn ein Kind vorverstorben ist oder das Erbe ausschlägt.
- Verfügung über den Pflichtteil: Regelungen, wie mit Pflichtteilsansprüchen umgegangen werden soll, Pflichtteilstrafklausel.
- Schlusserbfolge: Bestimmung, wie das Erbe nach dem Tod des zweiten Ehegatten verteilt wird.
- Änderungsvorbehalte: Klauseln, ob und wie Änderungen nach dem Tod eines Ehepartners möglich sind.
Inhalt eines Berliner Testaments
Das Berliner Testament sollte in der Regel mehr sein, als nur die gegenseitige Erbeinsetzung und die Regelung der Schlusserbes. Es kann unterschiedliche Inhalte haben, je nach den Wünschen und Bedürfnissen der Ehepartner und der speziellen familiären Situation. Typische Regelungen umfassen:
- Erbeinsetzung des überlebenden Ehepartners: Der hinterbliebene Partner wird als Alleinerbe eingesetzt.
- Schlusserbenbestimmung: Bestimmung der Kinder oder anderer Personen als Erben nach dem Tod des zweiten Ehepartners.
- Pflichtteilsregelungen: Festlegung, wie Pflichtteilsansprüche der Kinder gehandhabt werden sollen.
- Vermächtnisse: Besondere Zuwendungen an bestimmte Personen.
- Ersatzerbenregelung: Bestimmung, wer erbt, wenn ein Schlusserbe vorverstorben ist oder das Erbe ausschlägt.
- Verwaltung des Nachlasses: Regelungen zur Verwaltung und Nutzung des Nachlasses durch den überlebenden Ehepartner.
Wieso besteht beim Berliner Testament ein Pflichtteilsrisiko?
Das Pflichtteilsrisiko besteht darin, dass die Kinder ihren Pflichtteil sofort nach dem Tod des ersten Elternteils einfordern können. Dies kann den überlebenden Ehepartner in finanzielle Schwierigkeiten bringen, insbesondere wenn das Vermögen hauptsächlich aus Immobilien besteht, die nicht ohne weiteres liquidiert werden können.
Ein weiteres Risiko besteht darin, dass der Pflichtteilsanspruch mit Zinsen zu bedienen ist, falls die Auszahlung nicht unmittelbar erfolgt. Das Pflichtteilsrisiko kann also eine erhebliche Belastung für den länger lebenden Partner darstellen.
Was versteht man unter der Pflichtteilsstrafklausel im Berliner Testament?
Die Pflichtteilsstrafklausel ist eine Regelung im Berliner Testament, die verhindern soll, dass die Kinder ihren Pflichtteil nach dem Tod des ersten Elternteils einfordern. Sie besagt, dass ein Kind, das seinen Pflichtteil verlangt, auch nach dem Tod des zweiten Elternteils nur den Pflichtteil und nicht den im Testament vorgesehenen Erbteil erhält.
Beispiel: Wenn ein Kind nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil geltend macht, wird es im Erbfall nach dem Tod des zweiten Elternteils so behandelt, als ob es bereits vorverstorben wäre, und erhält nur den Pflichtteil, nicht den Erbteil aus dem gemeinsamen Testament.
Diese Klausel soll die Kinder davon abhalten, den Pflichtteil einzufordern und damit den noch lebenden Elternteil finanziell zu belasten. Allerdings kann die Wirksamkeit solcher Klauseln rechtlich umstritten sein, und ihre Durchsetzbarkeit hängt von der genauen Formulierung und den Umständen des Einzelfalls ab.
Die Pflichtteilsstrafklausel schützt nicht davor, dass ein Kind den Pflichtteil bereits nach dem Tod des ersten Elternteils geltend macht.
Zudem kommt es bei der Abwicklung von Erbfällen oftmals zu Schwierigkeiten mit der Pflichtteilsstrafklausel, wie eine Entscheidung des OLG Saarbrücken zeigt.
Berliner Testament und Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten
Die mit dem Berliner Testament verbundene Bindungswirkung hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung – meist der gemeinsamen Kinder – wirft im Falle der Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten Probleme für den neuen Ehepartner und dessen Absicherung für den Fall des Todes des Ehepartners auf.
- Er kann nicht Erbe werden und ist auf seinen Pflichtteil verwiesen.
- Schenkungen an ihn aus dem vormals gemeinsamen Vermögen können von den Schlusserben herausverlangt werden, wenn die Schenkung in der Absicht erfolgte, die Schlusserben zu benachteiligen (§ 2287 Abs. 1 BGB).
Anfechtung wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten
Ausnahmsweise kann sich der überlebende Ehegatte durch Anfechtung des Berliner Testaments aus der Bindungswirkung befreien, wenn mit dem Testament ein Pflichtteilsberechtigter übergangen wurde (§ 2079 BGB).
Die letztwillige Verfügung kann angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls
- einen vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, dessen Vorhandensein ihm bei der Errichtung der Verfügung nicht bekannt war oder
- der erst nach der Errichtung geboren oder
- pflichtteilsberechtigt geworden ist.
Pflichtteilsberechtigte sind nach § 2303 BGB die leiblichen und adoptierten Abkömmlinge und der Ehepartner bzw. der eingetragene Lebenspartner. Sofern der Erblasser keine Abkömmlinge hat, sind auch die Eltern pflichtteilsberechtigt.
Ein Übergehen eines Pflichtteilsberechtigten im Sinne vom § 2079 S. 1 BGB liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Erblasser ihn nicht bedacht hat, aber auch nicht von der Erbfolge ausschließen wollte.
Die Anfechtung des Erblassers muss innerhalb der Jahresfrist gemäß des § 2283 BGB erfolgen. Sofern diese Frist zu Lebzeiten des Erblassers abgelaufen ist, ist auch das Anfechtungsrecht des übergangenen Pflichtteilsberechtigten nach § 2285 BGB ausgeschlossen.
Beispiel:
A hat vor einigen Jahren gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau ein Testament errichtet und die gemeinsamen Kinder als Schlusserben eingesetzt. Nach dem Tod seiner Frau heiratet er erneut. Mit seiner zweiten Frau bekommt er ein weiteres Kind. Er hat sein bereits errichtetes Testament vergessen und glaubt außerdem, dass seine zweite Ehefrau und das gemeinsame Kind aus zweiter Ehe durch die gesetzliche Erbfolge abgesichert sind.
Aufgrund der Bindungswirkung des Testaments mit seiner ersten Ehefrau sind seine Kinder aus erster Ehe seine Schlusserben. Seine zweite Ehefrau und das gemeinsame Kind erhalten nur ihren Pflichtteil.
Was kann A tun, um dies zu verhindern:
A kann innerhalb eines Jahres nach Schließung der zweiten Ehe (Anfechtungsfrist des § 2283 BGB – 1 Jahr) das Testament anfechten.
A kann innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Kindes aus zweiter Ehe das Testament anfechten.
Rechtsfolge:
- Das gemeinsame Testament entfällt.
- Nach der ersten Ehefrau kommt die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung. A muss also die Hälfte des Nachlasses seiner Ehefrau an die gemeinsamen Kinder abgeben.
- A kann anschließend frei testieren.
Schutz des Berliner Testaments und der Schlusserben bei Wiederverheiratung
Mit dem Berliner Testament und der bindenden Schlusserbeneinsetzung wollen Ehegatten sicherstellen, dass ihr Vermögen den Schlusserben zugutekommt. Der Pflichtteilsanspruch des neuen Ehegatten oder gemeinsamer Kinder aus der neuen Ehe widerspricht diesem Ziel. Die Anfechtung bei Wiederverheiratung erlaubt es dem überlebenden Ehegatten, über das Vermögen des Erstverstorbenen zu verfügen, auch zugunsten des neuen Partners und gemeinsamer Kinder.
Um solche ungewollten Folgen zu verhindern, gibt es zwei rechtliche Optionen:
- Die Wiederverheiratungsklausel
- Den Anfechtungsverzicht
Wiederverheiratungsklausel
Eine Wiederverheiratungsklausel schützt die eigenen Kinder und nahen Angehörigen vor Erb- und Pflichtteilsrechten Dritter. Sie verhindert auch eine Nachlassschmälerung und wird ins Ehegattentestament aufgenommen.
Gestaltungsvarianten der Wiederverheiratungsklausel
Für die Gestaltung einer Wiederverheiratungsklausel gibt es verschiedene Varianten. Diese hängen von der gewählten Erbregelung ab:
Vorerbschaft und Nacherbschaft
Haben sich Ehegatten als beschränkte Vorerben und ihre Kinder als Nacherben des Erstversterbenden eingesetzt, kann der Nacherbfall bei Wiederheirat des überlebenden Ehegatten eintreten. Der überlebende Ehegatte wird somit bei Wiederheirat enterbt.
Vollerbschaft und Schlusserbschaft (Berliner Testament)
Setzen sich Ehegatten gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen die Kinder als Schlusserben, gibt es zwei Varianten der Wiederverheiratungsklausel:
- Die Vollerbschaft des überlebenden Ehegatten kann bei Wiederheirat in eine beschränkte Vorerbschaft umgewandelt werden. Die Kinder werden dann Nacherben.
- Alternativ kann der überlebende Ehegatte mit einem Wiederverheiratungsvermächtnis zugunsten der Kinder belastet werden. Im Falle der Wiederheirat muss er die Vermächtnisse erfüllen, zum Beispiel einen Geldbetrag auszahlen.
Sittenwidrige Wiederverheiratungsklausel
Bei der Gestaltung einer Wiederverheiratungsklausel darf diese nicht sittenwidrig sein. (§ 138 BGB) Eine Klausel ist sittenwidrig, wenn der überlebende Ehegatte bei Wiederheirat das gesamte Erbe verliert und nicht einmal den Pflichtteil behält. Der überlebende Ehegatte muss zumindest Vermögen in Höhe des Pflichtteilsanspruchs behalten.
Anfechtungsverzicht
Ehegatten verzichten oft gegenseitig auf die Möglichkeit, das gemeinschaftliche Testament anzufechten. Nach dem Erbfall könnte der überlebende Ehegatte unter bestimmten Voraussetzungen, beispielsweise wegen Übergehenund von Pflichtteilsberechtigten neuen Ehegatten oder hinzuommenden Kindern, das Testament anfechten. Um dies auszuschließen, können die Ehegatten im Testament einen gegenseitigen Anfechtungsverzicht erklären. Auch bei Wiederheirat bleibt der überlebende Ehegatte damit an die gemeinsamen Verfügungen gebunden
Fazit
Das Berliner Testament ist eine sinnvolle Möglichkeit für Ehepartner, sich gegenseitig abzusichern und das Familienvermögen zu erhalten. Es bietet jedoch auch Risiken und Nachteile, insbesondere hinsichtlich der Pflichtteilsansprüche der Kinder und der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments.
Ehepartner sollten daher sorgfältig abwägen, ob das Berliner Testament für ihre persönliche und finanzielle Situation geeignet ist. Sie sollten in jedem Fall juristischen Rat einholen, um sicherzustellen, dass Ihre Wünsche und Bedürfnisse bei der Gestaltung des gemeinsamen letzten Willens, bei der eine Fülle individueller Regelungen möglich sind, bestmöglich berücksichtigt werden.