Zur Auslegung eines Testaments, das als Erben denjenigen bestimmt, der den Erblasser bis zu seinem Tod pflegt und betreut

Der Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 25. September 2023 (Az.: 33 Wx 38/23e)befasst sich eingehend mit der Auslegung und Wirksamkeit eines Testaments, das denjenigen als Erben bestimmt, der die Erblasserin bis zu ihrem Tod pflegt und betreut. Diese Entscheidung beleuchtet zentrale rechtliche Fragen zur Bestimmtheit von letztwilligen Verfügungen und zur Zulässigkeit der Übertragung von Ermessensentscheidungen auf Dritte.

Sachverhalt

Die Erblasserin, eine kinderlose und verwitwete Frau, verfasste am 1. April 2011 ein handschriftliches Testament. Darin erklärte sie, dass die Person, die sie bis zu ihrem Tod pflegt und betreut, ihr gesamtes Vermögen erhalten solle. Im Testament erwähnte sie außerdem, dass „derzeit“ Frau [Name der Beteiligten zu 1] diese Pflege und Betreuung übernimmt. Diese Beteiligte beantragte nach dem Tod der Erblasserin im Jahr 2021 die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte.

Das Nachlassgericht München beabsichtigte zunächst, den Erbschein zugunsten der Beteiligten zu 1 zu erteilen. Allerdings setzte es die Wirksamkeit dieses Beschlusses aus, um der Beschwerde gegen diese Entscheidung Raum zu geben.

Entscheidungsgründe des OLG München

Das OLG München hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf und wies den Erbscheinsantrag zurück. Es stützte sich auf mehrere wesentliche Überlegungen zur Auslegung und Bestimmtheit des Testaments.

Fehlende Bestimmtheit des Erben

Das Testament muss nach § 133 BGB so ausgelegt werden, dass der tatsächliche Wille des Erblassers erkennbar ist. Dieser Wille muss klar genug sein, damit eine sachkundige Person den Erben ohne Ermessensspielraum bestimmen kann. Im vorliegenden Fall war die Formulierung des Testaments jedoch nicht eindeutig. Die Worte „die Person, die mich bis zu meinem Tode pflegt und betreut“ ließen verschiedene Interpretationen zu. Besonders problematisch war die Verwendung des Wortes „derzeit“, was darauf hindeutet, dass die Erblasserin bei der Testamentserrichtung keine endgültige Entscheidung darüber getroffen hatte, wer ihr Erbe sein sollte.

Unzulässige Bestimmungsübertragung

Das Gericht stellte fest, dass die Erblasserin die Bestimmung ihres Erben auf ein zukünftiges Ereignis und letztlich auf Dritte verlagert hatte. Dies widerspricht dem Grundsatz, dass der Erblasser seinen letzten Willen vollständig und abschließend selbst formulieren muss. Eine Erbeinsetzung, die von der Pflege und Betreuung bis zum Tod abhängig gemacht wird, ist nach § 2065 BGB unwirksam. Sie verlagert die Entscheidung darüber, wer Erbe sein soll, auf eine unbestimmte Zukunft und damit auf Dritte, die den Willen des Erblassers möglicherweise nicht genau kennen.

Der Versuch der Erblasserin, den Erben durch die Bedingung der Pflege und Betreuung „bis zu meinem Tod“ zu definieren, führte dazu, dass die Entscheidung über den Erben auf eine unklare und unbestimmte Zukunft verschoben wurde. Eine solche Bestimmung ist nach dem Gesetz unzulässig, weil sie den Erblasserwillen nicht abschließend festlegt. Die Entscheidung darüber, wer Erbe werden soll, darf nicht von späteren Ereignissen oder den Entscheidungen Dritter abhängig gemacht werden.

Unklare Begrifflichkeit

Ein weiteres zentrales Problem war die Unklarheit der Begriffe „pflegt und betreut“. Das Gericht konnte nicht eindeutig feststellen, was die Erblasserin darunter verstand. War damit körperliche Pflege gemeint? Oder ging es um seelische Betreuung, Hilfe bei der Hausarbeit oder um finanzielle Unterstützung? Auch blieb unklar, ob die Erblasserin den Begriff statisch oder dynamisch verstanden hatte. Musste die Pflege entsprechend den Bedürfnissen der Erblasserin im Laufe der Zeit angepasst werden, oder sollte eine kontinuierliche Pflege bis zum Tod erforderlich sein?

Diese Unklarheiten führten dazu, dass das Testament insgesamt als nicht hinreichend bestimmt angesehen wurde. Um rechtswirksam zu sein, muss ein Testament jedoch klar und eindeutig formuliert sein. Nur so kann der letzte Wille des Erblassers zweifelsfrei umgesetzt werden. Wenn die Begriffe im Testament unklar sind, besteht die Gefahr, dass der Wille des Erblassers nicht korrekt ermittelt und das Testament daher für unwirksam erklärt wird.

Bedeutung der Entscheidung für die Praxis

Die Entscheidung des OLG München unterstreicht die hohen Anforderungen an die Bestimmtheit von Testamenten. Ein Testament muss so formuliert sein, dass der Wille des Erblassers eindeutig erkennbar ist und keine Interpretationsspielräume offen bleiben. Diese Klarheit ist besonders wichtig, um sicherzustellen, dass der Nachlass im Sinne des Erblassers verteilt wird und um Streitigkeiten unter den Erben zu vermeiden.

Für Erblasser

Personen, die ein Testament errichten möchten, sollten sicherstellen, dass ihre Verfügungen klar und unmissverständlich sind. Unklare oder bedingte Formulierungen, die zukünftigen Ereignissen oder der Entscheidung Dritter überlassen werden, sollten vermieden werden. Es ist ratsam, bei der Erstellung eines Testaments rechtlichen Rat einzuholen, um sicherzustellen, dass es den gesetzlichen Anforderungen entspricht und der Wille des Erblassers rechtlich wirksam und zweifelsfrei umgesetzt werden kann.

Für die Praxis der Rechtsberatung

Für die Praxis der Testamentsgestaltung zeigt dieser Fall, wie wichtig es ist, die gesetzlichen Vorgaben zu beachten und sicherzustellen, dass der Erblasserwille klar und vollständig im Testament zum Ausdruck kommt. Notare und Rechtsanwälte sollten ihre Mandanten darauf hinweisen, dass ungenaue oder bedingte Formulierungen das Risiko der Unwirksamkeit des Testaments erheblich erhöhen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Formulierungen im Testament eindeutig und klar sind, um spätere Streitigkeiten und die Gefahr einer gerichtlichen Anfechtung zu vermeiden.

Darüber hinaus verdeutlicht die Entscheidung des OLG München, dass die Gerichte bei der Auslegung von Testamenten streng darauf achten, dass der Wille des Erblassers klar und unmissverständlich erkennbar ist. Wenn ein Testament nicht eindeutig ist, besteht das Risiko, dass die Gerichte es für unwirksam erklären. Dies führt dann dazu, dass die gesetzliche Erbfolge eintritt, was möglicherweise nicht dem Willen des Erblassers entspricht.

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Formulieren Sie Ihr Testament eindeutig und präzise

Der Beschluss des OLG München vom 25. September 2023 (Az.: 33 Wx 38/23e) zeigt, wie wichtig es ist, Testamente präzise und unmissverständlich zu formulieren. Unklare oder vage Formulierungen können zur Unwirksamkeit des Testaments führen und damit den letzten Willen des Erblassers gefährden.

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