Die Erbfolge ist ein komplexes Rechtsgebiet, in dem häufig Streitigkeiten und Unklarheiten auftreten. Besonders problematisch wird es, wenn ein Erbvertrag eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel enthält. Ein aktueller Fall vor dem Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken (Beschluss vom 13.12.2021 – 5 W 70/21) zeigt, wie eine solche Klausel Probleme mit dem Grundbuchamt verursachen kann.
Der Fall: Erbvertrag mit Pflichtteilsstrafklausel
Im Jahr 1989 schlossen ein Ehepaar einen notariellen Erbvertrag ab. Darin setzten sie sich gegenseitig als Alleinerben ein. Nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehepartners sollten die drei Söhne als Schlusserben das Vermögen erben. Gleichzeitig enthielt der Erbvertrag eine Pflichtteilsstrafklausel, die festlegte:
„Sollte einer unserer Abkömmlinge nach dem Tode des Erststerbenden diesen Erbvertrag anfechten oder seinen Pflichtteil verlangen, so ist er mit seinen Abkömmlingen von der Erbfolge des Überlebenden ausgeschlossen.“
Diese Klausel sollte sicherstellen, dass keiner der Söhne den Pflichtteil nach dem Tod eines Elternteils beansprucht, um das gesamte Erbe zu schützen.
Der Erbfall und die Erbauseinandersetzung
Im Jahr 2019 verstarb der Ehemann, und 2021 folgte die Ehefrau. Nach dem Tod der Eltern einigten sich die drei Brüder auf eine Aufteilung des Nachlasses. Sie erstellten einen notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag und versicherten an Eides statt, dass keiner von ihnen nach dem Tod des Vaters den Pflichtteil geltend gemacht hatte.
Mit dieser Versicherung wandten sich die Brüder an das Grundbuchamt und beantragten die Umschreibung des Eigentums an einer Nachlassimmobilie auf einen der Brüder. Sie legten dem Grundbuchamt den notariellen Erbvertrag und ihre eidesstattlichen Erklärungen vor. Darin bestätigten sie, dass keiner den Pflichtteil nach dem Tod des Vaters eingefordert hatte.
Probleme mit dem Grundbuchamt
Das Grundbuchamt akzeptierte die vorgelegten Unterlagen jedoch nicht vollständig. Es bemängelte, dass zusätzlich an Eides statt versichert werden müsse, dass der Erbvertrag nach dem Tod des Vaters nicht angefochten wurde. Einer der Brüder legte daraufhin eine entsprechende Erklärung vor. Allerdings reichte es dem Grundbuchamt nicht, dass nur einer der Brüder diese Erklärung abgegeben hatte. Es verlangte eine solche Erklärung von jedem der Brüder. Alternativ forderte es die Vorlage eines Erbscheins zum Nachweis der Erbfolge.
Beschwerde beim Oberlandesgericht
Mit der Entscheidung des Grundbuchamtes waren die Brüder nicht einverstanden. Sie legten Beschwerde beim Oberlandesgericht Saarbrücken ein. Sie argumentierten, dass die vorgelegten Dokumente und Erklärungen ausreichen sollten, um die Umschreibung des Eigentums zu ermöglichen.
Das OLG Saarbrücken wies die Beschwerde jedoch als unbegründet zurück. Es erklärte, dass das Grundbuchamt berechtigt sei, weitere Nachweise zu verlangen. Die Erbeinsetzung der Brüder im Erbvertrag sei unter der Bedingung erfolgt, dass keiner von ihnen den Pflichtteil fordert oder den Erbvertrag anfechtet. Ob diese Bedingung erfüllt sei, könne das Grundbuchamt nicht allein auf Grundlage der vorgelegten Erklärungen beurteilen.
Auslegung der Pflichtteilsstrafklausel
Das OLG Saarbrücken betonte, dass der Begriff „Anfechtung“ des Erbvertrags, wie er im Erbvertrag verwendet wurde, auslegungsbedürftig sei. Es sei unklar, was genau die Eltern damit gemeint hätten. Ob einer der Söhne den Erbvertrag in diesem Sinne angefochten habe, könne nur im Rahmen eines Erbscheinverfahrens abschließend geklärt werden.
Die Entscheidung des OLG führte dazu, dass die Brüder gezwungen waren, einen Erbschein zu beantragen. Erst nachdem sie diesen Erbschein vorlegten, konnte das Eigentum an der Nachlassimmobilie umgeschrieben werden.
Bedeutung für Erben und Nachlassverfahren
Dieser Fall zeigt, wie kompliziert Erbschaftsangelegenheiten werden können, wenn ein Erbvertrag oder ein Testament eine Pflichtteilsstrafklausel enthält. Solche Klauseln können sinnvoll sein, um das Vermögen zu schützen und sicherzustellen, dass der überlebende Ehepartner finanziell abgesichert ist. Sie können jedoch auch zu erheblichen Problemen führen, wenn es um die Umschreibung von Eigentum oder die Verteilung des Nachlasses geht.
Erben sollten sich bewusst sein, dass ein Erbvertrag oder Testament mit einer Pflichtteilsstrafklausel zusätzliche rechtliche Hürden schaffen kann. Wenn das Grundbuchamt weitere Nachweise verlangt, wie in diesem Fall, kann dies den gesamten Prozess der Nachlassabwicklung erheblich verzögern.
Fazit von Fachanwalt für Erbrecht Mathias Nittel
Pflichtteilsstrafklauseln in Erbverträgen und Testamenten sind ein zweischneidiges Schwert. Einerseits bieten sie den Eltern die Möglichkeit, ihre Wünsche durchzusetzen und den Nachlass in ihrem Sinne zu gestalten. Andererseits können sie zu Schwierigkeiten führen, wenn es darum geht, den Nachlass korrekt abzuwickeln und das Eigentum umzuschreiben.
Erben, die mit einer solchen Klausel konfrontiert sind, sollten sich rechtzeitig informieren und gegebenenfalls rechtlichen Rat einholen, um zu klären, welche Nachweise erforderlich sind. In vielen Fällen kann es notwendig sein, einen Erbschein zu beantragen, um die Erbfolge zweifelsfrei nachzuweisen.
Dieses Urteil des OLG Saarbrücken zeigt, wie wichtig es ist, die genauen Bestimmungen eines Erbvertrags zu verstehen und die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen. Nur so lassen sich unnötige Verzögerungen und Streitigkeiten vermeiden. Es unterstreicht zudem die Bedeutung klarer und eindeutiger Formulierungen in Erbverträgen, aber auch in Testamenten, um Missverständnisse und Auslegungsprobleme zu verhindern.
Für künftige Erblasser könnte es sinnvoll sein, die Pflichtteilsstrafklausel präzise zu formulieren und sicherzustellen, dass alle potenziellen Erben die Bedingungen und Konsequenzen vollständig verstehen. So kann sichergestellt werden, dass der Nachlass reibungslos und gemäß den Wünschen des Erblassers abgewickelt wird, ohne dass es zu unnötigen rechtlichen Auseinandersetzungen kommt.