Das Landgericht Bremen (Urteil vom 5. April 2024 – 4 O 189/17) hatte ezu entscheiden, wann eine Testamentsvollstreckerin ihr Honorar beanspruchen kann. Konkret ging es darum, ob sie berechtigt war, einen Vorschuss in beträchtlicher Höhe aus dem Nachlass zu entnehmen.
Nach dem Tod eines wohlhabenden Familienvaters trat im Mai 2012 eine seiner Töchter ihr Amt als Testamentsvollstreckerin an. Der Verstorbene wurde von seiner Ehefrau sowie zwei weiteren Kindern beerbt. Ein wesentlicher Teil des Nachlasses bestand aus einem Unternehmen, das ebenfalls verwaltet werden musste.
Die Position der Erben: Unberechtigter Zugriff auf den Nachlass
Die Erben argumentierten in ihrer Klage, dass der Testamentsvollstreckerin weder die Höhe der entnommenen Beträge zustehe noch der Gebührenanspruch zu diesem Zeitpunkt überhaupt fällig gewesen sei. Sie sahen die Entnahme des Vorschusses als unberechtigt an und verlangten, dass das Geld an den Nachlass zurückgeführt wird.
Der langwierige Prozess: Sieben Jahre bis zur Entscheidung
Der Rechtsstreit vor dem Landgericht Bremen zog sich über insgesamt sieben Jahre hin. Ein wesentlicher Teil dieser Zeit wurde für die Wertermittlung des Unternehmens benötigt, das zum Nachlass gehörte. Das Gericht beauftragte hierfür einen Gutachter, um den Unternehmenswert zu bestimmen, was entscheidend für die Berechnung des Honorars der Testamentsvollstreckerin war.
Als der Fall schließlich im Jahr 2024 zur Entscheidung kam, hatte die Testamentsvollstreckerin den Nachlass bereits vollständig unter den Erben verteilt.
Gerichtsurteil: Rückzahlung der unrechtmäßig entnommenen Gelder
Das Gericht entschied zugunsten der Erben und verurteilte die Testamentsvollstreckerin zur Rückzahlung des gesamten entnommenen Vorschusses. Es stellte klar, dass die Höhe einer angemessenen Vergütung für die Testamentsvollstreckung vom Gericht festgelegt werde, wenn der Erblasser hierzu keine genauen Vorgaben im Testament gemacht hat.
Zur Festlegung der Vergütung orientierte sich das Gericht an der Tabelle des Deutschen Notarvereins. Diese kann als Richtschnur für die Bemessung von Testamentsvollstreckerhonoraren herangezogen werden. Das Gericht errechnete auf dieser Basis einen Anspruch der Testamentsvollstreckerin in Höhe von 281.370 Euro. Dieser Betrag lag deutlich unter dem, was die Testamentsvollstreckerin zuvor entnommen hatte.
Kein Anspruch auf Vorschuss: Klare Regeln für Testamentsvollstrecker
Darüber hinaus machte das Gericht deutlich, dass ein Testamentsvollstrecker grundsätzlich keinen Anspruch auf einen Vorschuss für sein Honorar hat. Das Honorar wird erst nach Beendigung der Testamentsvollstreckung fällig. Da die Testamentsvollstreckerin diesen Grundsatz missachtet hatte, wurde sie zur Rückzahlung des gesamten Vorschusses verurteilt.
Nach dem Urteil hatte die Testamentsvollstreckerin die Möglichkeit, der Erbengemeinschaft eine neue Rechnung zu stellen. Diese Rechnung musste jedoch auf die vom Gericht festgelegte Summe von 281.370 Euro reduziert werden.
Fazit von Fachanwalt für Erbrecht Mathias Nittel
Der Fall zeigt, wie wichtig es für Testamentsvollstrecker ist, die gesetzlichen Vorgaben genau zu beachten. Insbesondere muss sie die Regel einhalten, dass ein Honorar erst nach Abschluss der Tätigkeit fällig wird, wenn der Erblasser nichts Anderes verfügt hat. Bei der Gestaltung der letztwilligen Verfügung sollte die Möglichkeit des Vorschusses explizit geregelt werden. Erben sollten sich ihrer Rechte bewusst sein und im Zweifel rechtlichen Rat einholen, um sicherzustellen, dass die Nachlassverwaltung korrekt durchgeführt wird. Das Urteil des Landgerichts Bremen bietet eine klare Orientierung für zukünftige Fälle. Es schützt die Rechte der Erben vor unberechtigten Entnahmen aus dem Nachlass.