Unwirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments bei fehlender Testierfähigkeit eines Ehepartners
Gemeinschaftliche Testamente, insbesondere solche, die von Ehegatten errichtet werden, spielen eine zentrale Rolle im deutschen Erbrecht. Sie ermöglichen es Ehepaaren, ihren letzten Willen gemeinsam zu gestalten und einheitliche Verfügungen zu treffen. Doch wie bei allen rechtlichen Instrumenten gibt es auch hier Voraussetzungen, deren Nichterfüllung zur Unwirksamkeit führen kann. Eine dieser zentralen Voraussetzungen ist die Testierfähigkeit beider Ehegatten. Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle hat in seiner Entscheidung vom 14. März 2024 (Az.: 6 W 106/23) diese Problematik ausführlich beleuchtet und dabei klargestellt, unter welchen Bedingungen ein gemeinschaftliches Testament unwirksam wird.
Der Fall
Im zugrunde liegenden Fall ging es um ein Ehepaar, das im Jahr 1993 ein gemeinschaftliches Testament errichtet hatte. Der Ehemann, geboren 1938, verstarb im Oktober 2020. Nach dem Tod ihres Mannes beantragte die Beteiligte zu 1, seine Ehefrau, im Dezember 2020 einen Erbschein. Dieser sollte sie als alleinige befreite Vorerbin ausweisen und bestimmen, dass die Nacherbschaft nach ihrem Tod auf eines ihrer gemeinsamen Kinder übergeht.
Das ursprüngliche gemeinschaftliche Testament von 1993 blieb jedoch nicht das einzige Dokument, das den letzten Willen des Ehepaares festhalten sollte. Im Juni 2018 und Juli 2018 erstellte die Beteiligte zu 1 zwei weitere Testamente, die sie eigenhändig verfasste und die der Ehemann ebenfalls unterzeichnete. Diese Testamente modifizierten den ursprünglichen letzten Willen und legten neue Bestimmungen zur Erbfolge fest.
Die Frage der Testierfähigkeit
Der Kern des Rechtsstreits lag in der Frage der Testierfähigkeit der Beteiligten zu 1 zum Zeitpunkt der Errichtung der Testamente in den Jahren 2018. Die Testierfähigkeit, definiert in § 2229 BGB, ist eine der grundlegenden Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Testaments. Ohne Testierfähigkeit kann kein wirksames Testament errichtet werden, da der Erblasser nicht in der Lage ist, seinen freien Willen wirksam zu äußern.
Das Amtsgericht kam nach einer umfassenden Beweisaufnahme zu dem Schluss, dass die Beteiligte zu 1 bei der Errichtung der Testamente im Jahr 2018 testierunfähig war. Dieses Urteil hatte weitreichende Konsequenzen, denn es bedeutete, dass die Testamente von Juni und Juli 2018 unwirksam sein könnten. Einer der gemeinsamen Kinder, der Beteiligte zu 3, legte gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Beschwerde ein und forderte die Zurückweisung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 1.
Die Entscheidung des OLG Celle
Das OLG Celle bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und stellte fest, dass die Testamente vom Juni 2018 und Juli 2018 unwirksam waren. In seiner Begründung führte der Senat aus, dass ein gemeinschaftliches Testament gemäß § 2265 und § 2267 Satz 1 BGB nur dann wirksam ist, wenn beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Errichtung testierfähig sind.
Die Testierfähigkeit ist ein unverzichtbares Element bei der Errichtung eines Testaments. Ist einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig, kann auch das gemeinschaftliche Testament insgesamt nicht wirksam sein. Die Entscheidung des OLG Celle betonte, dass dies auch dann gilt, wenn der testierunfähige Ehegatte das Testament verfasst hat und der andere Ehegatte lediglich unterschrieben hat.
Keine Möglichkeit der Umdeutung in ein Einzeltestament
Das OLG Celle lehnte zudem die Möglichkeit ab, das unwirksame gemeinschaftliche Testament in ein wirksames Einzeltestament des Erblassers umzudeuten, wie es nach § 140 BGB theoretisch möglich wäre. Ein gemeinschaftliches Testament, das den Willen beider Ehegatten ausdrücken soll, kann nicht einfach in ein Einzeltestament umgedeutet werden, wenn einer der Ehegatten testierunfähig ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn der nicht testierfähige Ehegatte den Text des Testaments verfasst hat und der andere Ehegatte nur unterschrieben hat.
Im vorliegenden Fall wurde das Testament von der Beteiligten zu 1 eigenhändig geschrieben und von ihrem Ehemann lediglich unterzeichnet. Da das Testament nicht vom Erblasser selbst verfasst wurde, fehlte es an der erforderlichen Eigenhändigkeit, die für die Wirksamkeit eines Einzeltestaments nach § 2247 Abs. 1 BGB notwendig ist. Dies führte dazu, dass das Testament als insgesamt nichtig angesehen wurde.
Praxishinweise: Sicherstellung der Testierfähigkeit
Die Entscheidung des OLG Celle hat erhebliche Bedeutung für die Praxis der Testamentserrichtung. Sie zeigt deutlich, dass die Testierfähigkeit bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments eine zentrale Rolle spielt. Ohne diese Fähigkeit ist das gesamte Testament unwirksam, selbst wenn alle formalen Anforderungen erfüllt sind.
Für Ehegatten, die ein gemeinschaftliches Testament errichten möchten, bedeutet dies, dass sie sicherstellen müssen, dass beide Partner zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig sind. Es sollte in Erwägung gezogen werden, bei Zweifeln an der Testierfähigkeit, diese durch ein ärztliches Gutachten bestätigen zu lassen. Ein solches Gutachten kann späteren Streitigkeiten über die Gültigkeit des Testaments vorbeugen.
Vergleichbare Fallkonstellationen und ihre Relevanz
Das OLG Celle machte in seiner Entscheidung auch deutlich, dass der Fall, bei dem einer der Ehegatten testierunfähig ist, einer Konstellation gleicht, in der das gemeinschaftliche Testament nur von einem der Ehegatten unterschrieben wird. In beiden Fällen kommt kein gemeinschaftliches Testament zustande, weil die rechtlichen Anforderungen nicht erfüllt sind.
Diese Analogie zeigt, dass es bei gemeinschaftlichen Testamenten nicht nur auf die Einhaltung formaler Kriterien ankommt, sondern vor allem auf die tatsächliche Möglichkeit beider Ehegatten, ihren Willen wirksam und verbindlich zu äußern. Fehlt diese Möglichkeit, ist das Testament insgesamt unwirksam.
Schlussfolgerung und Fazit
Die Entscheidung des OLG Celle vom 14. März 2024 verdeutlicht, dass die Testierfähigkeit eine unerlässliche Voraussetzung für die Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments ist. Fehlt diese bei einem der Ehegatten, so ist das gesamte Testament unwirksam, unabhängig davon, ob die formalen Anforderungen eingehalten wurden. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, bei der Errichtung von Testamenten nicht nur auf die formellen Aspekte, sondern auch auf die Testierfähigkeit der Beteiligten zu achten.
Durch die Beachtung dieser rechtlichen Vorgaben können Ehepaare sicherstellen, dass ihr letzter Wille auch tatsächlich umgesetzt wird und Rechtsstreitigkeiten unter den Erben vermieden werden. Die Entscheidung des OLG Celle liefert dazu wertvolle Leitlinien und verdeutlicht, wie wichtig die sorgfältige Planung und Dokumentation des letzten Willens ist.
Praxistipp vom Fachanwalt für Erbrecht Mathias Nittel
Wenn Sie ein gemeinschaftliches Testament errichten möchten, stellen Sie sicher, dass beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig sind. Zweifel an der Testierfähigkeit sollten unbedingt durch ein ärztliches Gutachten abgeklärt werden. So vermeiden Sie, dass Ihr Testament später als unwirksam angesehen wird und stellen sicher, dass Ihr letzter Wille rechtlich bindend ist.
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