Das Vorversterben eines Schlusserben: Auswirkungen auf die Bindungswirkung eines Erbvertrages

Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied am 11.05.2020 (Az. I-3 Wx 135/19), dass der überlebende Ehegatte nach dem Vorversterben des Schlusserben neue testamentarische Verfügungen wirksam treffen kann. Entscheidend ist, ob Ersatzerben eingesetzt wurden und ob sich die Bindungswirkung aus § 2270 Abs. 2 BGB auf diese Verfügung erstreckt. Lässt sich kein solcher Wille ermitteln, entfällt die vereinbarte Bindungswirkung. Der überlebende Ehegatte kann dann wirksam testieren.

Der Fall: Vorversterben der Schlusserbin und Errichtung eines neuen Testaments

Im notariellen Erbvertrag setzten sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben ein. Sie bestimmten die Tochter der Ehegattin und den gemeinsamen Sohn zu je ½ als Schlusserben. Zudem vereinbarten sie, dass die Bestimmungen des Erbvertrages für beide bindend sein sollten. Niemand behielt das Recht zum Rücktritt vor.

Nach dem Tod des Ehemannes errichtete die Erblasserin ein privatschriftliches Testament. Darin setzte sie den gemeinsamen Sohn zu ihrem alleinigen Erben ein. Ein Jahr später verstarb die als Schlusserbin eingesetzte Tochter.

Nach dem Tod der Ehefrau war unklar, ob der Abkömmling der verstorbenen Tochter erbt oder das privatschriftliche Testament wirksam bleibt. Wäre das Testament gültig, würde der gemeinsame Sohn Alleinerbe.

Die Entscheidung des Gerichts: Keine Bindungswirkung ohne Ersatzerbenregelung

Entscheidend ist, ob für den Wegfall der Schlusserbin eine Ersatzerbschaft vereinbart wurde. Wenn dies der Fall ist, muss geprüft werden, ob die Bindungswirkung im Sinne des § 2270 Abs. 2 BGB besteht.

Es gibt weder Anhaltspunkte für einen Fall nach § 2069 BGB noch für § 2270 Abs. 2 BGB.

Nach § 2069 BGB, der auch auf den Erbvertrag anwendbar ist, treten an die Stelle des bedachten Abkömmlings dessen Abkömmlinge. Danach wäre der Abkömmling der verstorbenen Tochter Ersatzerbin zu ½. Jedoch ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Anwendung von § 2069 BGB, weshalb diese gesetzliche Auslegungsregel nicht greift.

§ 2270 Abs. 2 BGB fordert ein Gegenseitigkeitsverhältnis der Verfügungen. Die Verfügungen müssen miteinander stehen und fallen. Auch hierfür fehlen Anhaltspunkte.

Da keine Anhaltspunkte für eine Ersatzerbenstellung bestehen, entfällt die Bindungswirkung bei Vorversterben eines Schlusserben.

Folglich ist das privatschriftliche Testament der Ehefrau wirksam. § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB findet keine Anwendung. Alleinerbe wird somit der gemeinsame Sohn.

Anmerkung von Fachanwalt für Erbrecht Mathias Nittel

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf verdeutlicht die Bedeutung der klaren Regelung einer Ersatzerbschaft in Testament und Erbvertrag. Entscheidend für die Bindungswirkung eines Erbvertrages bei Vorversterben eines Schlusserben ist, ob eine bindende Ersatzerbenstellung vereinbart wurde. Ist dies nicht der Fall, kann der Überlebende abweichende und wirksame testamentarische Verfügungen treffen.

 
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